Wieviel Rendite bringt ein gutes Gewissen beim Investieren?

Kurzfassung des Artikels:

Anders als noch vor einigen Jahren gelten nachhaltige Anlagemöglichkeiten heute oftmals sogar als rentierlicher, sicherer und/oder resilienter als klassische Finanzprodukte. Was ist dran an den Renditeversprechen zahlreicher, nachhaltiger Finanzprodukte und welche Rendite kann man für ein gutes Gewissen beim Investieren erwarten? Wie unfehlbar sind wissenschaftliche Untersuchungen in diesem Zusammenhang und die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen?

  • Es gibt weiterhin einen starken Anstieg des Angebots von nachhaltigen Finanzprodukten, die ein gutes Gewissen beim Investieren versprechen. Dabei gibt es keine geschützte oder einheitliche Definition was eigentlich nachhaltig ist – entsprechend breit ist die Angebotspalette.
  • Begleitet werden die Finanzprodukte oftmals in den Marketingunterlagen und in der Presse durch eine überlegene Performancedarstellung von nachhaltigen Investments gegenüber klassischen Anlagemöglichkeiten.
  • Anders als noch in der Vergangenheit werden nachhaltige Investments heute oftmals sogar mit höheren Renditeerwartungen verknüpft und durch finanzwissenschaftliche Untersuchungen historischer Kapitalmarktdaten wissenschaftlich belegt.
  • Dabei gibt es jedoch zahlreiche Kritikpunkte, zum Beispiel zur Methodik solcher Untersuchungen, und es ist ratsam, hier genau hinzuschauen, was die Analyse tatsächlich bestätigt und was nicht. Auch die Interpretation durch die Presse und Adaption der Finanzunternehmen zur Bewerbung Ihrer Produkte ist zumindest fragwürdig (mehr zu den einzelnen Kritikpunkten im Artikel).
  • Ineffizienzen als Ursache für eine temporäre systematische Outperformance bestehen am Markt immer nur solange fort, bis sich das Wissen darum in der Breite durchgesetzt hat. Es gibt an der Börse keinen Garanten für eine dauerhafte Outperformance – auch nicht durch Nachhaltigkeit.
  • Anleger*innen, welche ein nachhaltiges Finanzanlageprodukt kaufen, um eine überdurchschnittliche Rendite zu erzielen, tun dies unserer Ansicht nach aus der falschen Erwartungshaltung heraus. Die Outperformance muss keinesfalls so sicher sein, wie es eine historische Betrachtung suggerieren mag.
  • Nachhaltige Investments, solange Sie kein Produkt von green washing sind, bieten jedoch nachweisbar und dauerhaft einen höheren Mehrwert für die Gesellschaft und die Umwelt. Ist dies bei durchschnittlich gleichen Renditeerwartungen wie für klassische Anlagemöglichkeiten nicht Anreiz genug?
Akkordeon-Inhalt

Ethisch-nachhaltige Kriterien beim Investieren zu berücksichtigen, hat eine sehr lange Tradition und über viele Jahre hielt sich die Meinung, es gäbe einen Zielkonflikt zwischen Nachhaltigkeit und Rendite. Diese allgemeine Wahrnehmung hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Wie aktuelle Studien zeigen, beurteilten Finanzanalysten in den 1990er Jahren es noch als tendenziell negativ, wenn Unternehmen soziale Belange in der Unternehmensführung berücksichtigen. Heute veranlasst ein fehlender Nachhaltigkeitsbericht von Unternehmen die Finanzanalysten eher zu einem schlechteren Votum.

In den letzten Jahren sind nachhaltige Geldanlagemöglichkeiten wie Pilze aus dem Boden geschossen und Produktanbieter werben teilweise sogar mit erhöhten Renditeversprechen gegenüber klassischen Finanzprodukten. Ist das alte Vorurteil vom Zielkonflikt zwischen Rendite und Nachhaltigkeit heute überholt? Welche Renditen können Sie für ein gutes Gewissen beim Investieren erwarten?

Bereits die sittenstrengen Quäker im vorindustriellen Zeitalter setzten im Rahmen ihrer Anlagephilosophie auf die Vermeidung von Investments in den Bereichen Sklaverei, Waffenherstellung sowie Alkohol, Tabak und Glücksspiel und prägten im angelsächsischen Raum damit den Begriff Ethical oder Socially Responsible Investment, kurz SRI. Diese Grundprinzipien gelten oftmals noch heute. Mit der Auflage des Pioneer Fund im Jahr 1928, ursprünglich ausgelegt für die Bedürfnisse streng religiöser Gruppen, wurden nachhaltige Investmentkriterien erstmalig für die Allgemeinheit zugänglich.

Lange Zeit waren Finanzprodukte mit Berücksichtigung von ökologischen Kriterien, sozialen Belangen und Grundsätzen guter Unternehmensführung (Environment, Social, Governance) ein Nischenmarkt. Doch zuletzt hat sich die Wahrnehmung deutlich verändert. So schrieb das Finanzmagazin €uro in einer Spezialausgabe im November 2020: „Statt als potenzielle Performance-Bremse sehen Anleger jetzt ESG-Strategien und Co zunehmend als Rendite-Turbo und zugleich als Risikobegrenzer an“.

Geprägt wird diese Einschätzung durch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema, deren Häufigkeit in den letzten Jahren deutlich angestiegen ist. So fasst der zuvor angesprochene Artikel die aktuelle Fachliteratur wie folgt zusammen: „Auch rückblickend zeigen Studien kaum Rendite-Nachteile. Stellvertretend für eine durchweg positive Literatur berichtet die bis 1970 zurückreichende Meta-Analyse ‚ESG und finanzielle Performance‘, dass nur jede zehnte von 2200 Studien geringe Einbußen festgestellt hat. Überwiegend seien die Ergebnisse besser gewesen. Auch während des Corona-Crashs haben nachhaltige Anlagen […] ihre Stärken gezeigt.“

Die überwiegende Anzahl an Untersuchungen impliziert also höhere Renditen für nachhaltige Geldanlagen bei teilweise sogar niedrigerem Risiko. Klingt dies nicht zu schön um wahr zu sein? So objektiv und wissenschaftlich die Daten auch sind, die Interpretation ist oftmals subjektiv beeinflusst, und ohne kritische Prüfung der Methoden sind auch die Ergebnisse zu hinterfragen.

Nachfolgend gehe ich auf die wichtigsten Kritikpunkte solcher Studien ein, um darauf hinzuweisen, wie sehr eine differenzierte Betrachtung der Ergebnisse für die eigene Erwartungshaltung notwendig ist:

  1. Nachhaltigkeit ist kein eindeutiger Begriff; es gibt zahlreiche Definitionen und Anlagestile, welche das Thema umsetzen. Investiere ich also auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse, so stellt sich die Frage, ob die Umsetzung auch der Methodik im Studienaufbau entspricht.
  2. Je nach Definition können sich während des Untersuchungszeitraums bestimmte ungewollte Branchenschwerpunkte ergeben, insbesondere bei kurzfristigeren Betrachtungszeiträumen unter 10 Jahren. Wer bspw. das Thema Nachhaltigkeit auf die Höhe der Treibhausgasemissionen eines Unternehmens begrenzt, hatte in den letzten 10 Jahren einen hohen Anteil an Technologiewerten im Portfolio. In diesem Zeitraum konnte man mit dieser Branche eine deutliche Outperformance generieren, was sich auch auf meine nachhaltige Strategie positiv ausgewirkt hätte. Aber ist dies auf den Faktor Treibhausgasemission zurückzuführen oder liegt es daran, dass ich zufällig in der richtigen Branchen investiert habe und der eigentliche Treiber in diesem Falle die Digitalisierung war?
  3. Je länger ein Untersuchungszeitraum zurückreicht, umso aussagekräftiger sind die Ergebnisse, denn es werden die verschiedensten Marktphasen berücksichtigt. Die Herausforderung aus dem obigen Punkt wird also etwas abgeschwächt. Während jedoch für börsennotierte Unternehmen Finanzkennzahlen seit Jahrzehnten vorhanden sind, fehlen Nachhaltigkeitskennzahlen in großen Bereichen, weil die Unternehmen diese Daten erst seit kurzer Zeit zusätzlich veröffentlichen. Eine Investmentstrategie auf Basis heutiger ESG-Daten wie bspw. Treibhausgasemissionen, Einsatz erneuerbarer Energie, Frauenquoten, ESG-Scores und Ratings etc. lässt sich für die Vergangenheit daher nur schwer testen.
  4. Auch der Ersteller einer Studie hat eine Motivation hinter seiner Arbeit, sei es nun bewusst oder unbewusst. Vielleicht arbeitet er für eine Fondsgesellschaft und möchte gerne zeigen, dass seine beworbene Strategie in der Vergangenheit erfolgreich war oder er möchte aus einer inneren Überzeugung heraus möglichst viele Kapitalmarktteilnehmer zur nachhaltigen Investition bewegen. In beiden Fällen ist er geneigt, die Daten und Informationen so auszuwählen, zu ermitteln und zu interpretieren, dass diese die eigenen Erwartungen erfüllen (Stichwort: Bestätigungstendenz, oder engl. confirmation bias).
  5. Die Untersuchungszeiträume betrachten naturgemäß nur die Vergangenheit und selbst wenn eine Strategie über einen längeren Zeitraum funktioniert hat, heißt dies nicht, dass dies auch in Zukunft der Fall ist. Selektiert eine Untersuchung Unternehmen nach Nachhaltigkeitskriterien, so macht sie dies über einen Zeitraum in dem diese Vorgehensweise kaum in der Realität zur Anwendung kam.
    Eine Outperformance (selbst bei niedrigerem Risiko) stellt per Definition eine Ineffizienz am Kapitalmarkt dar. Diese Ineffizienzen können für einen langen Zeitraum bestehen und eingeweihte Anleger sehr glücklich machen, aber nur bis sich die Erkenntnis (z. B. durch diverse Studien) in der Breite durchsetzt. Auch wenn sich an zahlreichen Beispielen belegen lässt, dass die Märkte ineffizient sind, so sind sie es dennoch nie dauerhaft für den gleichen Bereich (Stichwort: evolutionäre Finanzmarkttheorie).

Ob finanzwissenschaftliche Studien und Backtests also ein guter Ratgeber in Bezug auf die Renditeerwartungen für nachhaltige Geldanlagen sind, bleibt fraglich. Es gibt immer wieder Ineffizienzen an den Kapitalmärkten, welche temporär eine über- oder unterdurchschnittliche Rendite ermöglichen. Temporär ist dabei ein sehr dehnbarer Begriff und kann sich im Extremfall auch über mehrere Dekaden erstrecken, aber es gibt an der Börse keinen Garanten für eine dauerhafte Outperformance – auch nicht durch Nachhaltigkeit.

Welche Rendite ein nachhaltiges Portfolio erzielt, ist seit jeher eine Frage des richtigen Investmentkonzeptes. Genauso wie es gute und schlechte herkömmliche Aktienfonds und Finanzprodukte gibt, wird es diese auch zukünftig im Spektrum der nachhaltigen Geldanlagen geben.

Anleger*innen, welche ein nachhaltiges Finanzanlageprodukt kaufen, um eine überdurchschnittliche Rendite zu erzielen, tun dies m. E. aus der falschen Überzeugung heraus. Niemand muss befürchten, dass eine nachhaltige Geldanlage aus strukturellen Gründen per se eine niedrigere Rendite zielt, soviel kann man den Studien vielleicht entnehmen. Gleichwohl ist Nachhaltigkeit aber eben auch kein Garant für Outperformance.

Einen finanziellen, überdurchschnittlichen Mehrwert durch eine nachhaltige Vermögensanlage zu versprechen, halte ich für unseriös, wenn der Mehrwert allein durch die Nachhaltigkeit begründet wird. Aber ist der nachweisbar höhere Mehrwert für Gesellschaft und Umwelt nicht Anreiz genug, wenn die Renditeerwartungen im Durchschnitt sich langfristig mit denen klassischer Vermögensanlagen decken?

Und der eingangs erwähnte Pioneer Fonds von 1928? Den gibt es heute noch und er feierte bereits im Jahr 2011 als erster Investmentfonds überhaupt das Überschreiten der 1.000.000 % Performance-Grenze seit Auflage. Es ist heute nicht mehr nachweisbar, ob es Anleger*innen gibt, die den Fonds bereits seit Auflage besitzen, aber offensichtlich ging die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten auch in der Praxis nicht zulasten der Rendite.



Wie lautet Ihre Einschätzung zu diesem Thema?

  • Haben Sie eine nachhaltige Geldanlage/Vermögensverwaltung?
  • Falls ja, mit welchen Erwartungen haben Sie sich dazu entschieden?
  • Oder haben Sie vielleicht sogar den Pioneer Fonds seit Auflage?

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Wir freuen uns auf Ihre Kommentare zu diesem Artikel.

Mit freundlichen Grüßen

David Houdek, CFA

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