Welche Auswirkungen hat die Bundestagswahl auf die Börsenentwicklung?
9. September 2021
Ein Kapitalmarkteinschätzung von Karl-Heinrich Mengel
Aktuell scheint es, als überwögen die Befürchtungen vieler Anleger hinsichtlich der kommenden Bundestagswahl. Sind diese Befürchtungen berechtigt oder ist alles nur halb so wild?

Die Frage nach den Auswirkungen der bevorstehenden Bundestagswahl beschäftigt zahlreiche Anleger. Eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes für private Einkommen, die Einführung einer Vermögenssteuer oder eine Erhöhung der Steuern auf Kapitalerträge sind keine Maßnahmen, die Aktieninvestoren behagen. Daher scheint es aktuell, als überwögen die Befürchtungen.
Sollte die Wahl am 26. September mit einem Stimmenvorsprung für die SPD gegenüber der CDU/CSU enden, erwarten uns Koalitionsverhandlungen, in denen exakt diese Themen Verhandlungsmasse sein werden, und dieses Szenario ist derzeit wahrscheinlich. Aus Investorensicht bedeutet dies, dass sich insbesondere für Privatanleger einige Rahmenbedingungen verschlechtern könnten.
Entscheidend für die Entwicklung des Aktienmarktes sind allerdings die Rahmenbedingungen für Unternehmen. Auch eine eher linksorientierte Regierung unter Führung der SPD wird kein Interesse daran haben, die Unternehmen etwa mit einer höheren Körperschaftssteuer zu belasten. Eine Erhöhung der Erbschaftssteuer und die womögliche Einführung einer Vermögenssteuer würde DAX-Unternehmen nicht tangieren.
Im Gegensatz zu einem betont marktwirtschaftlichen Ansatz hat eine sozialdemokratisch geführte Regierung allerdings eine etwas andere Vorstellung von der Rolle des Staates. Der Staat soll einen größeren Einfluss auf Zielsetzung und Rahmenbedingungen nehmen, um bestimmte Ziele zu erreichen. Etwa wenn es um die Reduktion des CO2-Ausstoßes geht. Dieser Ansatz birgt die Gefahr, eine effiziente Allokation des zur Verfügung stehenden Kapitals – im Sinne einer freien Marktwirtschaft – zu behindern.
Ein Beispiel hierfür ist die möglicherweise einseitige Bevorteilung des Elektroantriebs. VW hat bereits etwas angekündigt, was vor wenigen Jahren noch als unvorstellbar galt: nämlich die gesamte KFZ-Flotte im Laufe dieses Jahrzehnts auf Elektroantrieb umzustellen. Dem Aktienkurs hat es nicht geschadet, im Gegenteil. Somit liegt die Vermutung nahe, dass politisch verfügte Rahmenbedingungen nicht unbedingt dem einzelnen Unternehmen wirtschaftlich schaden müssen.
Hier kommt es letztlich auf die Art und Weise an, wie staatlicherseits eingegriffen wird. So können Investitionsanreize oder staatliche Investitionen in die Infrastruktur durchaus konjunkturfördernd wirken. Dies gilt für die Förderung der Glasfaservernetzung ebenso wie für den Ausbau elektrischer Ladestationen für den KFZ-Verkehr. In diesem Kontext ist auch das Thema der „schwarzen Null“ zu nennen. Die eher linksorientierten Parteien – zumindest in Deutschland – sind eher als CDU/CSU und FDP geneigt, für staatliche Investitionsmaßnahmen, aber auch für konsumptive Zwecke die Neuverschuldung zu erhöhen. Professor Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft – eine Institution der Arbeitgeber – befürwortet eine Abkehr von der sogenannten schwarzen Null und argumentiert für eine kalkulierte Schuldenaufnahme des Staates unter der Bedingung, die Gelder konsequent für bestimmte Investitionen auszugeben.
Die Börse wird hinreichend Zeit haben, sich nach dem 26. September auf eine neue Regierung einzustellen. Denn am Wahlabend werden zunächst einmal die Verhandlungen um mögliche Koalitionen beginnen. Angesichts diverser Konstellationen rechnen wir nicht mit einem schnellen Resultat. Eine Beteiligung der Linken an der Regierung wäre aus Investorensicht sicherlich am wenigsten wünschenswert. Diese Variante ist jedoch aus heutiger Sicht nicht sehr wahrscheinlich.
Typischerweise nehmen Aktienmärkte kommende Ereignisse vorweg, indem die Anleger sich bereits mit Blick darauf am Markt positionieren. Dies gilt natürlich auch für die Bundestagswahl. Betrachten wir in diesem Zusammenhang die Entwicklung des DAX in den vergangenen Wochen. Während die Umfragen zunehmend deutlich für eine Ablösung der CDU/CSU als führende Regierungspartei sprechen, blieben negative Reaktionen am deutschen Aktienmarkt bisher aus. Dies spricht für die alte Börsenweisheit, dass politische Börsen „kurze Beine“ haben, was auf die aktuelle Entwicklung angewandt noch sehr untertrieben erscheint.
Demzufolge gehen wir davon aus, dass es eher die üblichen Parameter sind, die entscheidend auf die kommende Entwicklung der Aktienkurse in Deutschland einwirken werden und die größeren Einfluss haben sollten als die Frage, ob Herr Laschet oder Herr Scholz eine Bundesregierung anführen werden. Wir denken hier u. a. an die weltweite konjunkturelle Entwicklung, an den Einfluss der Corona-Pandemie, aber auch an die Geldpolitik in den USA und in Europa.
Insofern könnte also die Bundestagswahl für die Investoren sogar zum „Non-Event“ werden.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Heinrich Mengel
