Der Einfluss chinesischer Politik auf den heimischen Kapitalmarkt
2. August 2021
Ein Kapitalmarktbericht von Karl-Heinrich Mengel
Die chinesische Politik im 1. Quartal 2021 vollzog hinsichtlich der Geldversorgung der Wirtschaft eine Kehrtwende, deren Einfluss auf die Kapitalmärkte wir in diesem Beitrag betrachten und einordnen wollen.
Die westliche Wirtschaftspresse berichtete in letzter Zeit häufig über massive politische Einmischung der chinesischen Administration in Belange des Kapitalmarkts. Entgegen unseren westlichen Gepflogenheiten betrachtet man es in China als Vorrecht der Regierung, unternehmerische Entscheidungen je nach politischer Opportunität zu unterbinden.
Hierzu gehört beispielsweise die Frage, an welchen Börsen ein Unternehmen seine Aktien notieren läßt. Aber auch hinsichtlich der gesamtwirtschaftlichen Geldversorgung gilt in China das Primat der Politik. Hier sind direkt die Interessen der Investoren betroffen, denn das monetäre Umfeld ist bekanntlich ein wesentlicher Einflussfaktor für das Geschehen an den Kapitalmärkten.
So hat die chinesische Politik im 1. Quartal 2021 hinsichtlich der Geldversorgung der Wirtschaft eine Kehrtwende vollzogen, eine wesentliche Ursache für den Einbruch des heimischen Aktienmarkts. Entsprechend verlor der heimische Aktienindex CSI 300 seit Ende Februar bis Ende Juni etwa 15 % seines Werts. Dies ist eine bemerkenswerte Entwicklung angesichts des beachtlichen Konjunkturaufschwungs.
Was war geschehen?
Seitens der kommunistischen Administration fühlte man sich zunehmend unwohl angesichts des wirtschaftlichen Einflusses heimischer privater Unternehmen, insbesondere im Finanzbereich. Hier ist vor allem das für China typische sogenannte „Graubankensystem“ zu nennen. Dieses agierte unabhängig von staatlicher Einflußnahme und verursachte eine aus politischer Perspektive unerwünschte Geldmengenausweitung.
Zudem liegen auch die Ziele dieser Kreditvergaben nicht unbedingt auf der politisch gewünschten Linie. Wie man hört, ging die Ende Februar eingeleitete Initiative zur Eindämmung des Graubankensystems direkt vom stellvertretenden Ministerpräsidenten aus.
Die Folge war ein abrupter Rückgang des Geldmengenwachstums (M1) von vorher ca. 16 % p.a. auf etwa 6 % p.a. In diesem Zusammenhang wird gern von der Vermeidung einer „Blasenbildung“ gesprochen (nicht nur in China) mit der bekannten negativen Konnotation.
Tatsächlich steht die chinesische Politik der Idee eines frei agierenden Kapitalismus immer noch skeptisch gegenüber, wo Kapitalströme Angebot und Nachfrage unterliegen. Das für eine dynamische Wirtschaftsentwicklung benötigte Wagniskapital unterliegt nun einmal dem Prinzip „Trial and Error“, so dass dirigistische Eingriffe per se kontraproduktiv sind. Mit dieser Tatsache kann sich die kommunistische Partei Chinas sicherlich nur schwer anfreunden.
Solange in China zur Durchsetzung des Primats der Politik Kollateralschäden für den eigenen Kapitalmarkt in Kauf genommen werden, wird es trotz Wirtschaftsboom bei dessen mäßiger Attraktivität bleiben.
Offensichtlich haben die restriktiven geldpolitischen Maßnahmen auch Spuren in der Realwirtschaft Chinas hinterlassen. Dafür spricht die zuletzt schwächere Tendenz des Li Keqiang-Index. Dieser nach dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang benannte Konjunkturindikator umfaßt drei Komponenten, nämlich jeweils das Wachstum des Güterschienentransports, des Stromverbrauchs und der Kreditvergabe. Der zuletzt schwächere Verlauf dieses Indikators ist vor dem Hintergrund der restriktiven geldpolitischen Maßnahmen nicht verwunderlich.
Und hier liegt vermutlich auch der Grund für die kürzlich avisierte leichte Lockerung der Geldpolitik, indem der Mindestreservesatz für Geschäftsbanken ab Mitte Juli um einen halben Prozentpunkt gesenkt wurde.
Dies entspricht in etwa einem Volumen von ca. Euro 130 Mrd., welches den Geschäftsbanken zusätzlich zur Kreditvergabe zur Verfügung steht. Gemessen an der Geldpolitik der US-Notenbank und der EZB ist das diesbezügliche Agieren der Chinesen dennoch sehr zurückhaltend.
In Europa und in den USA wächst im Gegensatz zu China die Geldmenge M1 pro Jahr seit Beginn der Corona-Krise im März 2020 zweistellig. Dies macht kräftige Rückschläge an deren Aktienmärkten, wie wir sie kürzlich in China erlebt haben, eher unwahrscheinlich.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Heinrich Mengel