Die Zeit „nach Corona“ und die globale Konjunkturentwicklung
7. Oktober 2021
Eine Kapitalmarkteinschätzung von Karl-Heinrich Mengel
Wie entwickelt sich die globale Konjunktur, nachdem wir feststellen mussten, dass sich Corona so leicht nicht besiegen lässt – und welche Rolle spielen Lieferengpässe sowie China dabei?
Am 9. November 2020 annoncierte die Firma BioNTech den weltweit ersten Impfstoff gegen das Corona-Virus. Die Welt atmete auf und ebenso wir Anleger. Es eröffnete sich die Perspektive eines pandemiefreien Lebens nebst einer fulminanten Erholung der Weltkonjunktur.
Bereits in den ersten Tagen nach Bekanntgabe des neuen Impfstoffs kam es zu regelrechten Kurssprüngen konjunktursensitiver Aktien. Die Kurse der vorher favorisierten Technologie-Titel blieben hingegen zunächst zurück. Die Fachwelt sprach von „reflation trades“, also Dispositionen an den Kapitalmärkten, die das klassische Umfeld eines beginnenden Konjunktur-Booms zur Voraussetzung haben. Hierzu gehören kräftig steigende Unternehmensgewinne der typischen Industriezykliker (z.B. Chemie, Autoindustrie), steigende Inflation und steigende Zinsen.
Allerdings mussten wir im Laufe des Jahres 2021 lernen, dass sich Corona so leicht nicht besiegen lässt.
Ursachen sind die mickrigen Impfquoten in großen Teilen der Emerging Markets wie in Lateinamerika oder Afrika, aber auch Impfmüdigkeit in den entwickelten Volkswirtschaften, wie in den USA oder in Deutschland. Das Entstehen von Mutanten des Virus wie der Delta-Variante wurde hierdurch begünstigt. Lieferengpässe, wie zum Beispiel durch die Knappheit bei Halbleitern, sowie hohe Rohstoffpreise (Rohöl, Gas, Kohle) tun ihr übriges und sind wahrscheinlich mittelbar ebenso teils Corona-bedingt.
Insgesamt entpuppt sich die Vorstellung einer „Post-Corona-Zeit“ für die vorhersehbare Zukunft zunehmend als Illusion.
Die globale Konjunkturentwicklung wird jedoch auch von ganz anderer Seite in Frage gestellt, nämlich von China. Dessen Wirtschaftsdynamik ist aktuell ziemlich unbefriedigend und zum Teil durch eine abrupte Kehrtwende der Geldpolitik selbst verschuldet. Die aktuell grassierende Immobilienkrise wurde dadurch verschärft, wenn nicht sogar verursacht.
Negative Rückwirkungen auf die Weltwirtschaft sollte man einkalkulieren. Besonders betroffen sein können klassische Value-Titel im Industriebereich, insbesondere wenn stärkere Bindungen zu China bestehen.
Die latente Gefahr durch das Corona-Virus wirkt obendrein wie ein Katalysator auf die weitere Digitalisierung des globalen Wirtschaftslebens und begünstigt Wachstumsbranchen ähnlich wie im Jahr 2020. Unternehmen für elektronische Bezahlsysteme oder Social-Media-Unternehmen sollten weiterhin relativ robust gegenüber den erwähnten konjunkturellen Risiken sein. Darüber hinaus wird eine eher moderate globale Konjunkturentwicklung die Wahrscheinlichkeit übermäßig restriktiver Schritte durch die Notenbanken verringern, was den Wachstumsbranchen zugutekommt.
Wir haben es also offenbar mit einem Déjà-vu-Erlebnis zu tun, denkt man an das erste Corona-Jahr 2020. „Post-Corona“ ist weiter entfernt, als zunächst erhofft.
Wir haben demzufolge unsere Depotstrukturen im Laufe dieses Jahres entsprechend angepasst und sukzessive Chancen bei Aktien der Technologiebranchen wahrgenommen.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Heinrich Mengel