Investoren getrieben von tweets -Auszug aus unserem Jahresbericht 2018
Frankfurt a.M., 16.01.2019
Im vergangenen Jahr mussten nach sogenannten Gewinnwarnungen eine Reihe von Aktien massive Kursverluste hinnehmen. Bei vielen dieser Gewinnwarnungen wurden jedoch meist keine roten Zahlen, sondern nur ein etwas geringerer Gewinnanstieg als prognostiziert gemeldet. Daher stellt sich die Frage, warum selbst die Aktienkurse von substanzstarken Unternehmen auf geringste Prognoseabweichungen bei den Geschäftszahlen derart stark reagierten?

Hierfür gab es gleich mehrere Ursachen. Ein wesentlicher Grund lag in den genannten politischen Risiken und Unsicherheiten des vergangenen Jahres, die gute Nachrichten häufig überlagerten und schwache Kursentwicklungen begünstigten. Die Annahme, dass politische Börsen „kurze Beine“ haben, traf im vergangenen Jahr nicht zu. Zudem wurden zunächst auch nur geringe Kursschwankungen an den Aktienmärkten überaus kritisch beurteilt, da diese im Vergleich zu dem äußerst schwankungsarmen Jahr 2017 nun ungewohnt waren. Je stärker und häufiger diese Kursschwankungen an den Aktienmärkten – beispielsweise ausgelöst durch „tweets“ des US-Präsidenten – auftraten, desto mehr nahm die Nervosität unter den Investoren zu.
Als die Geschäftszahlen einiger Unternehmen zum dritten Quartal die z.T. überzogen hohen Erwartungen des Marktes auch nur geringfügig verfehlten, wurden die Aktien dieser Unternehmen massiv verkauft. Die Höhe des Kursabschlags fiel übertrieben stark aus und stand nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zur fundamentalen Situation des Unternehmens. In einem zweiten Schritt des Marktes kamen nun die Aktien ganzer Branchen (z.B. Automobilindustrie) unter Abgabedruck. Immer mehr Investoren erwarteten negative Abweichungen zu den Geschäftsprognosen der Unternehmen aus diesen Branchen. Dadurch wurden Verkäufe von Aktien ausgelöst, ohne dass es schlechte Nachrichten zu den dazugehörigen Unternehmen gab. Um den Ausblick auf schwache Geschäftsprognosen zu befeuern, wurde in einem dritten Schritt des Marktes der Wachstumsausblick für die Weltwirtschaft und einzelne Regionen teils stark abgesenkt.
Am Jahresende 2018 sahen einige Investoren nun eine deutlich erhöhte Gefahr für eine Rezession der Weltwirtschaft im Jahr 2019, obwohl es bislang lediglich einige Hinweise auf eine leichte Abschwächung dieser gab. Negative Emotionen verstärkten sich gegenseitig, so dass sich bei einigen Aktien eine massive Abwärtsspirale in der Kursentwicklung ergab. Immer wieder wurden neue crashartige Anschlussverkäufe für einzelne Aktien durch immer neue pessimistische Spekulationen ausgelöst, für die es jedoch keine hinreichend plausiblen Gründe gab. Die Nervosität des Marktes war vor allem ein Ausdruck diffuser Ängste.
Neben den erläuterten marktpsychologischen Faktoren wurde der „Herdentrieb“ beim Verkauf einzelner Aktien zusätzlich durch einige strukturelle Faktoren begünstigt. So trafen Aktienverkäufe häufig auf eine schwache Kaufbereitschaft, da einige bedeutende potentielle Nachfragegruppen in den letzten Jahren wegfielen und somit stabilisierende Markteingriffe seltener vorkamen, als dies in der Vergangenheit zu beobachten war. So haben beispielsweise viele Banken seit der Finanzkrise ihr Eigengeschäft mit Aktien immer stärker eingeschränkt, da das Aktiengeschäft auf eigene Rechnung von vielen Bankvorständen mittlerweile als zu riskant eingestuft wird und außerdem hierfür zu viel Eigenkapital als Sicherheit hinterlegt werden muss. Auch der allgemeine Markttrend, immer stärker in ETF-Strukturen und weniger in Einzelaktien zu investieren, ließ die Gruppe der Nachfrager für einzelne Aktien schrumpfen, weil Exchange-Traded-Funds keine Kursschwankungen durch gegenläufiges Agieren nutzen.