Die Aktienmärkte zu Beginn des Jahres 2023

6. Januar 2023
Ein Kapitalmarktbericht von Karl-Heinrich Mengel

Vor einem Jahr zeigten wir uns an dieser Stelle mit gewissem Recht skeptisch hinsichtlich der Perspektiven für die Aktienmärkte. Schaut man auf die außerordentlichen Kurszuwächse, die europäische Aktien in den letzten Tagen aufwiesen, so scheint die Hoffnung berechtigt, dass uns bessere Zeiten erwarten.

Auffällig ist jedoch der vergleichsweise schwache Start der US-Börsen. So haben sich die jeweils breit aufgestellten Aktienindizes EuroStoxx 600 und S&P 500 in der ersten Januarwoche recht unterschiedlich entwickelt. Während der europäische Stoxx600 ein Plus von etwa 3% aufwies, hat der erwähnte US-Aktienindex quasi keine Performance erzielt. Die Bedeutung einer Wochenperformance sollte sicherlich nicht überschätzt werden. Die Diskrepanz zwischen Europa und den USA ist dennoch augenfällig und unter Umständen nicht rein zufällig.

Lassen sich hieraus Schlüsse über die weitere Entwicklung der Aktienmärkte ziehen?

Die Betrachtung der jeweiligen Einflussfaktoren ist hierbei entscheidend. Tatsächlich hat sich das fundamentale Umfeld für die europäischen Volkswirtschaften überraschend verbessert, sehr im Gegensatz zu den pessimistischen Erwartungen. Die Energiepreise für Gas und Erdöl sind wieder in den Bereich des Vorkriegsniveaus gefallen. Die Inflation in Europa scheint nicht so hartnäckig, wie zunächst erwartet. Die letzten Zahlen für Deutschland haben positiv überrascht. Im Dezember liegt die Inflation Europas bereits wieder im einstelligen Prozentbereich nach einem Hoch von 10,6% p.a. im vergangenen Oktober.

Damit spricht der Vorteil positiver Überraschungen zumindest kurzfristig für europäische Aktien.

Hinzu kommt die unterschiedliche Branchenzusammensetzung: Der Anteil teurer Technologieaktien ist in den USA sehr viel höher als in Europa. Im Corona-Jahr 2020 war dies noch ein großer Vorteil für US-Aktien, insbesondere für den technologie-orientierten Index NASDAQ. Vor dem Hintergrund massiv gestiegener Zinsen im vergangenen Jahr, insbesondere in den USA, ist nun das Gegenteil der Fall. Große Technologietitel, wie Microsoft, Apple oder Amazon befinden sich immer noch im Abwärtstrend und beeinflussen damit die US-Aktienmärkte aufgrund ihres großen Anteils negativ.

Selbst wenn derzeit mehr für europäische Aktien zu sprechen scheint, auch da sie – wie zumeist – niedriger bewertet sind als ihre US-Pendants, ist von einer grundsätzlichen Abhängigkeit vom großen US-Kapitalmarkt auszugehen. Der schiere Gesamtwert US-amerikanischer Aktien liegt um ein Mehrfaches höher als die Kapitalisierung europäischer Aktien. Beispielsweise liegt derzeit der Börsenwert des S&P 500 bei 32 Billionen US-Dollar. Der europäische STOXX 600 repräsentiert demgegenüber nur einen Wert von ca. 9,5 Billionen US-Dollar. Hier liegt eine wesentliche Ursache dafür, dass die Aktienmärkte Europas stark von der Entwicklung der US-Aktien abhängig sind. Damit sind sie im Übrigen auch abhängig von der US-Notenbank und deren Zinspolitik.

Perspektiven für 2023

Die Beurteilung der Perspektiven ist in hohem Maße von der Einschätzung des US-Aktienmarkts abhängig, allein aufgrund dessen überwältigender Größe. Dabei ist nicht nur die Zinsentwicklung zu beurteilen, die wesentlich die relative Attraktivität der Aktienanlagen bestimmt, sondern auch das Maß an Liquidität, welche den Kapitalmärkten zur Verfügung steht. Die Bedeutung des Geldmengenwachstums für den US-Aktienmarkt wurde in der jüngeren Börsengeschichte eindrucksvoll im Corona-Jahr 2020 vorgeführt. Trotz der für alle Marktteilnehmer völlig unübersichtlichen Lage, die die weltweite Pandemie hervorrief, gelang es der US-Notenbank durch ein beispielloses Liquiditätsprogramm, Wirtschaft und Börse zu stützen. Der Technologie-Index NASDAQ zeigte eine beeindruckende Performance im hoch zweistelligen Prozentbereich.

Welche Auswirkungen hat die Geldpolitik der Notenbanken?

Die zunächst unterschätzten Inflationsgefahren haben die Notenbanken, in erster Linie die FED, dazu gezwungen, die Zinsen im vergangenen Jahr massiv zu erhöhen und dem Kapitalmarkt mittels Anleihegeschäften zusätzlich Liquidität zu entziehen. Lag in den USA das Wachstum der Geldmenge M1 Mitte 2020 vorübergehend noch in der enormen Größenordnung von etwa 50% p.a., so ist dieser Einflussfaktor mittlerweile nahezu völlig zum Erliegen gekommen. Mehr als vom Zinsniveau und von den Unternehmensgewinnen dürfte das Kurspotential der Aktien von der Geldmengenentwicklung abhängen. Ein deutlicher Rückgang der Liquiditätszufuhr ist eine schlechte Voraussetzung für steigende Aktienkurse. 

Das aktuell hohe Zinsniveau, welches die US-Notenbank wahrscheinlich noch für längere Zeit präferieren wird, hat unterschiedliche Auswirkungen. Einerseits sind Rentenpapiere wieder deutlich renditestärker geworden und führen damit zu relativ geringerer Attraktivität der Aktienanlagen, andererseits bremsen verschlechterte Finanzierungsbedingungen die Konjunktur. Die Renditen für US-Treasuries mit zweijähriger Laufzeit sind in den letzten Monaten kräftig gestiegen und weisen aktuell eine Rendite von ca. 4,4% p.a. auf. Gegenüber dem Niveau vor 12 Monaten haben sie sich nahezu verfünffacht. Sie liegen damit auch deutlich höher als die durchschnittliche Dividendenrendite von 1,75 % des S&P 500.

Angesichts der Baisse der Aktienkurse im Jahr 2022 dürften sich einige dieser  Faktoren bereits in den Kursen widerspiegeln. Die Tatsache der Diskrepanz zwischen hohen Rentenrenditen und niedrigeren Dividendenrenditen bleibt jedoch als Belastungsfaktor zu konstatieren, zumal die wahrscheinlich weiter rückläufige Inflation die Rentenrenditen noch attraktiver machen wird.

Etwas besser sieht es in Europa aus, wo das Zinsniveau niedriger ist und viele Pessimisten dem Markt bereits den Rücken zugewandt haben dürften. Aber auch die Europäische Zentralbank wird die Liquidität für die Kapitalmärkte weiter einschränken, sowohl mittels Zinserhöhungen als auch durch Anleihegeschäfte. 

Fazit: Diese Grundkonstellation mahnt zur Vorsicht. Insofern sind wir trotz der ermutigenden Kursentwicklungen in den ersten Januartagen in unseren flexibel geführten Portefeuilles nicht offensiv positioniert, wo wir neben der Anlage in qualitativ gute Aktien auch tendenziell verstärkt in kurzlaufende Anleihen investieren sowie Beimischungen in Edelmetallen halten.

Ihnen einen guten Start ins neue Jahr!

Mit freundlichen Grüßen

Karl-Heinrich Mengel

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