Die Aktien-Baisse als Herausforderung für Investoren
13. September 2022
Ein Kapitalmarktbericht von Karl-Heinrich Mengel
Die Formulierung „Baisse an den Aktienmärkten“ wird von Banken und Vermögensverwaltern ungern verwendet, um die aktuelle Kapitalmarktphase zu beschreiben. Hierfür mag es unterschiedliche Gründe geben, dennoch spricht vieles für eine nüchterne und objektive Wahrnehmung der aktuellen Kapitalmarktentwicklung, verbunden mit einer soliden Kommunikation.

Seit einigen Monaten befinden sich die Aktienmärkte in den USA und in Europa in einem Abwärtstrend, eine Entwicklung, die jeder erfahrene Anleger kennt und die demzufolge auch als Teil der Normalität des Kapitalmarkts gilt. Schwache Aktienmärkte bieten durchaus Chancen, und es kommt darauf an, diese zu nutzen. Hier ist entscheidend, die abträglichen Einflussfaktoren korrekt zu analysieren.
Aus unserer Sicht hatten die Auswirkungen der Coronakrise in Verbindung mit dem später einsetzenden Krieg Russlands gegen die Ukraine wesentlichen Einfluss. Wir sehen hier die Ursachen für die Kombination aus fragiler Weltwirtschaft und gleichzeitig kräftiger inflationärer Tendenz. Hinzu kommt, dass viele Marktteilnehmer und Ökonomen noch keine persönlichen Erfahrungen mit einer derart penetranten Inflation sammeln konnten, die uns derzeit beschäftigt. Zuletzt waren wir mit vergleichbaren Problemen in den siebziger und frühen achtziger Jahren konfrontiert.
Mittlerweile steuert die US-Notenbank (FED) mit einem scharfen antiinflationären Kurs entgegen, ein entscheidender Grund für die Kursrückgänge an den internationalen Anleihe- und Aktienmärten im laufenden Jahr. Mit Zinserhöhungen und dem Entzug von Liquidität über Anleihegeschäfte verteuert die Notenbank das Geld. Viele Marktteilnehmer schienen dabei die Hoffnung zu hegen, die Notenbank würde von ihrem restriktiven Kurs ablassen, sollten die Preise an den Kapitalmärkten deutlich nachgeben.
Diese Hoffnung wird sich wahrscheinlich als trügerisch erweisen. Die Inflationsbekämpfung wird weiterhin höchste Priorität genießen. Demzufolge haben wir in den Equity Mandaten unserer Flexiblen Strategie die Aktienquote in den Bereich von 60% abgesenkt. Gleichzeitig haben wir den Anteil defensiver Branchen aufgestockt.
In den kommenden Monaten ist noch nicht mit einer Besserung der konjunkturellen Situation zu rechnen. Jedoch wird eine nachhaltige Trendwende an den Aktienmärkten erfahrungsgemäß früher einsetzen. Denn Konjunktur- und Aktienzyklus verlaufen nicht parallel, sondern die Aktienmärkte haben gewöhnlich einen gewissen Vorlauf.
Besonderes Augenmerk verdient die Entwicklung der Inflation. Sollte die US-Notenbank den Eindruck gewinnen, den Preisanstieg nachhaltig zurückgeführt zu haben, erwarten wir steigende Aktien- und Anleihekurse, selbst vor dem Hintergrund eines noch schwachen volkswirtschaftlichen Wachstums. Für den Aktieninvestor lohnt es sich, geduldig auf diese Konstellation zu warten.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Heinrich Mengel
